Die Einhornhöhle bei Scharzfeld am Harz


Die Höhle ist unterhalb eines ehem. Grundwasserspiegels unter einer fluvialen Verebnungsfläche (Unteres Randverwerfungssystem (THIEM 72)) als Laughöhle vorraussichtlich im frühesten Quartär entstanden. Durch jüngere Taleintiefung und Zerschneidung der Dolomitplatte ist von dem primären System die Einhornhöhle als Rudiment verblieben. Durch Sickerwasserkorrosion und Frostschuttbildungen wurden im Laufe des jüngeren Quartärs die Räume überformt und mit zahlreichen Kolken in der Firste überprägt. Die Sohle ist von Sedimenten von im Mittel mehr als 5 m Mächtigkeit belegt. Sie ist bislang außerhalb des Weißen Saales nirgends angetroffen worden. Der erste Eingang ist unbekannt, durch Deckeneinsturz entstand im frühen Holozän ein neuer Eingang.


siehe auch: umfangreiche Literatur BIESE 1933, DUPORHORN 1969; THIEM 1972, VLADI 1979 usw.

Der Besucher betritt die Höhle durch den Stollen, welcher ihn zunächst in den "Weißen Saal" führt. Dieser war früher als hinterster Teil der Einhornhöhle nur selten besucht worden. Gleich recht, auf der Halde der Ausgrabung von 1968 liegen noch einige der rötlich gefärbten, Flußschotter. Eine Seitenkammer des "Weißen Saales", die "Struckmann-Grotte", zeigt zum Gedenken an einen bedeutenden Erforscher der Einhornhöhle, Carl STRUCKMANN, eine Bronzetafel. Hinter der "Wolfskammer", benannt nach einem Wolfsskelett, welches hier dicht unter dem Boden vor ca. 100 Jahren gefunden wurde, und dem "Virchow-Gang" mit dem 7m hohen Schlot der "Hexenküche", folgt der eindrucksvolle "Schiller-Saal". Er mißt 8 m Höhe und 35 m Länge. Seine hervorragende Akustik veranlaßte 1859 eine hier rastende Jagdgesellschaft, unseres Dichterfürsten SCHILLER´s 100-jährigen Geburtstag zu begehen und die ganze Höhle "Schillerhöhle" zu taufen. SCHILLER selbst hat Scharzfeld nie betreten. Die Wände des "Schiller-Saals" ziehen noch gut 10 Meter in die Höhlensohle hinab, wie die Ablagerungen der Sohle beweisen: zuoberst liegen braune Lehme mit zahlreichen Knochen und Zähnen, dann folgen grobe Bruchstücke des Höhlendaches aus Dolomitfels, als Nächstes rotfarbene, lehmige Flußschotterlager, die nach unten in rotbunte Tone übergehen, und bis zur Endteufe der Bohrung bei 10 Metern folgt grober Dolomit-Bruchschutt. Ob damit die Basis der Ablagerungen und Schuttbildungen erreicht ist, bleibt fraglich

Der flache "Bären-Gang" führt dann in die wohl eindrucksvollste und zugleich größte Halle der Höhle, die "Leibnitz-Halle". Zwei für jedermann erkennbare, parallel verlaufende Klüfte sind für die Anlage der halle verantwortlich. Teile des Höhlendaches sind zwischen diesen beiden Klüften herabgefallen, so daß ihre jetzige Firste einen flachen, gleichsam künstlichen Eindruck vermittelt. Ein kleiner Seitengang der "Leibnitz-Halle" wurde in Anlehnung an einen alten Höhlenbericht "Arme Sünder-Kammer" genannt. In dem sich hieran anschließenden, engen "Jacob-Friesen-Gang" wurden 1925/26 massive Lager von Bärenknochen und -zähnen, aber auch ein menschlicher Halswirbel gefunden (vieleicht von dem hier begrabenen "Armen Sünder" vom Jahre 1655?).

Vom südwestlichen Ende der "Leibnitz-Halle" dringt bereits der erste bläuliche Schimmer des Tageslichtes herein, und nach wenigen Sekunden steht der besucher auf dem Grunde eines schluchtartig tiefen Erdfalles, dessen romantische, efeubehängte Felswände die Phantasie anregen. Wilhelm HAUFF´s Märchen "Kaltes Herz" wurde 1978 hier verfilmt. Hier in der "Blauen Grotte" bewiesen archäologische Funde die vorgeschichtliche Anwesenheit des Menschen, wie z.B. ein Frauengrab aus der Bronzezeit. Nach links folgt hinter einen flachen Durchschlupf ein wunderbar schlicht geformter Dom, die "von Alten-Kapelle". Paul von ALTEN, damals Oberforstmeister zur Kupferhütte/Bad Lauterberg, grub ausgangs vergangenen Jahrhunderts wiederholt in der Einhornhöhle mit dem Ziele, die fossilen Höhlenportale, durch welche eiszeitliche Bärenfauna in die Höhle gelangt war, wiederzufinden. Eine Bronzetafel setzt ihm hier ein Denkmal. Hier besteht die Höhlensohle aus mehr als 7 Meter z.T. verwitterten Dolomit-Schutts, ohne daß die Spuren eines früheren Flusses oder seiner Schotter erreicht worden sind. Die markante Bänderung des Dolomitfelsens in den drei Kuppeln entspricht der oft wechselnden Härte des hier horizontal geschichteten Gesteinses. Der größte Teil aller Funde aus den Grabungen von 1872 bis 1974 liegt im Niedersächsischen Landesmuseum zu Hannover auf.

Zurück in der "Blauen-Grotte", verläßt der Besucher unserer tage die Einhornhöhle über eine moderne 44 stufige Betontreppe, vorbei an grünbemoosten und feuchten Felswänden.

aus: VLADI (1979)

Der Maler Georg Melchior in Begleitung von Johann Wolfgang von Goethe, zeichnete 1784 den Eingang der Einhornhöhle.

 

 

Zeichnung des Einganges der Höhle vom hannoverschen Hofmaler Ramberg aus dem Jahr 1780.