Die Bielshöhle bei Rübeland im Bielstein.


von: Dr. Ing. F. Stolberg

Geschichte der Bielshöhle

Obwohl der Eingang zur Bielshöhle stets offen dalag, wurde die Höhle trotzdem erst im Jahre 1672 entdeckt. Das hoch oben in den Schrofen des Bielsteins ausgehende Mundloch war hinter dichtem Gestrüpp verborgen, bis Juli 1672 ein Waldbrand den Bestand des Hanges vernichtete. Bei Besichtigung des Schadens stieß man auf die völlig unbekannte Höhle! Ihre erste Befahrung erfolgte auf landesherrliche Veranlassung (Braunschweig) durch Bergmeister und Forstmeister zu Rübeland, die ein Befahrungsprotokoll abgeben, in dem es heißt "...daß diese Höhle über 100 Klafter lang sei, viele Weitungen von fünf Lachter Höhe nebst einem schönen Brunnen habe, und daß sie der Baumannshöhle vorzuziehen sei...". Des früher in den ersten Gängen vorhandenen "Bergmehles" (Montmilch) halber erhielt die entdeckte Höhle den Namen "Mehlloch", einen Namen, den sie über 100 Jahre trug. Da die Befahrung für damalige Begriffe schwierig und gefährlich war, wurde der Eingang mit einer Tür verschlossen und das Mehlloch geriet gegenüber seiner altberühmten Schwester, der Baumannshöhle, wieder fast in Vergessenheit; daher ist auch zu erklären, daß Goethe bei seinem bekannten Besuch der Baumannshöhle 1777 an der Bielshöhle vorübergegangen ist. Erst 116 Jahre nach der Entdeckung sollte auch die Stunde der Erschließung für das Mehlloch kommen. Die uralte Sehenswürdigkeit Rübelands, die Baumannshöhle - schon seit 1649 in regelmäßigen, organisierten Schaubetrieb genommen (!) - zog immer weitere Kreise Fremder heran. So kam denn ein Steiger des Kalksteinbruches am Krokstein , der Bergmann Christian Friedrich Becker, auf den Gedanken, auch das fast vergessene Mehlloch der Allgemeinheit zugänglich zu machen und in Konkurrenz als Schauhöhle zu eröffnen. Unter dem 8. April 1788 wurde seitens der Herzoglich Braunschweigischen Kammer zu Blankenburg die Konzession an Becker erteilt. Es heißt in ihr "...in diesem Mählloche Strecken und Oerter gehörig aufgeräumt zu erhalten, dieselben mit Stufen und Fahrten zu versehen, dahin zu sehen, daß sowohl hohe als niedrige Personen, Fremde als Einheimische, die das Mählloch zu befahren begehren, mit guter Behutsamkeit und ohne Gefahr aus- und eingeführet, ihnen mit guter Bescheidenheit begegnet, alles was darin zu sehen, gezeiget und kein unbilliges Trinkgeld von denselbigen abgefordert und die Höhle von ihrer Seltenheit zum Ungebühr nicht spoliirt werde; auch dahin zu sehen, daß niemand, der sich zuvor bey ihm gemeldet, die Höhle befahren, und von losem Gesindel etwas darin zerschlagen oder vernichtet werde; widrigenfalls davon sofort Anzeige zu thun:...". Becker machte unterstützt von seinen beiden Töchtern (!) die ganze Hauptstrecke Eingang - Teilungshalle - Dom - Obere Höhle - Tropfsteingang zugänglich durch Einbau steinerner Treppen und hoher Leitern. Besonders die den Dom östlich abschließende Steilkluft (Beckerwand) erforderte aufwändigere Bauten in Gestalt zweier langer Holztreppen mit Zwischenpodest. Von letzterem aus pflegte der Führer seinen Gästen zeitgemäß ein lyrisches Gedicht mit entsprechender Verherrlichung der Höhle vorzutragen. Reste der ehrwürdigen Anlage waren noch 1928 vorhanden und erst anläßlich des damaligen Besuches durch den Hauptverband Deutscher Höhlenforscher brachen die letzten Sprossen unter dem Gewicht einiger wackerer Kollegen zusammen! Sic transit gloria mundi! Am Fuße der Steilrinne erinnert aber die eingeritzte Originalinschrift "C. F. Becker 1781 erster Führer der Höhle" an Frühzeiten der Speläologie. In kurzer Zeit gelangte das Mehlloch, oder wie es von nun an hieß, die "Bielshöhle", zu Ruf und Ansehen. Da sie - verglichen mit den damals bekannten Räumen der Baumannshöhle - weit verzweigter, phantastischer war, begann sie eine scharfe Konkurrenz für erstere zu werden und erbitterter Wettstreit zwischen beiden Unternehmen setzte ein, wobei die Baumannshöhle ziemlich hintenan zu stehen kam. Die Bielshöhle befuhren in den Jahren 1788 - 1795  1130 Personen, eine für jene Zeiten beträchtliche Besucherzahl, besonders wenn man bedenkt, daß Befahrungen dem damaligen Publikum eine sportliche Leistung bedeuten mußten! Um Beschmutzungen der Kleidung zu verhüten, erhielt jeder Gast Überzeug ausgehändigt. Außerdem führte Becker regelmäßige Fremdenbücher. Die Eintragungen seitens der Gäste sind teilweise von Interesse, geben sie doch hübsche Kulturbilder und gewähren Einblick in die Anfänge touristischern Höhlenbesuches. Die Beliebtheit der Bielshöhle wuchs derart, daß die Fremdenbücher in Druck erschienen und bereits 1796 ein besonderer Freund der Höhle, Christian Friedrich Schröder, eine genaue, umfassende Beschreibung in seinem Buche "Naturgeschichte und Beschreibung der Baumanns- und Bielshöhle" herausbrachte (Berlin 1796). Schröder hat zu den treuesten Besuchern gezählt und - ein Vorläufer späterer Zeit - mit viel Liebe und Wärme die Bielshöhle sowohl untersucht, als auch dargestellt. 1842 erschien von der Hand Carl Hellbauers ein Führer, versehen mit zwei hübschen Lithographien (Eingang, Dom) und genauem Grund- und Aufriß (Braunschweig 1842). Die Blütezeit der Bielshöhle in ihrer Eigenschaft als Schauhöhle war erreicht und kaum noch eine heimatkundliche Veröffentlichung erschien, die nicht eingehend auf sie Bezug genommen hätte. Mit der Entdeckung der Hermannshöhle im Jahre 1866 und nach den dort gemachten großartigen Entdeckungen der Jahre 1887 und 1888 verlor die Bielshöhle an Bedeutung. Aus den Händen der Beckerschen Familie ging ihre Nutzung schließlich an die Harzer Werke über, die den Führungsbetrieb einstellte, da ja die Hermannshöhle ein ganz entschieden für die Wirtschaft lohnenderes Objekt bot. Knapp 100 Jahre seit den Tagen der Erschließung durch Christian Friedrich Becker und seinen Töchtern versank die Bielshöhle wieder in Vergessenheit; Treppen, Leitern, Wege verfielen, die Höhle wurde Tummelplatz wilder Forscher und Tropfsteindiebe, so daß, um den andauernden Räubereien Einhalt zu gebieten, der Eingang zeitweise zugemauert werden mußte! Da selbst die Mauer nicht zur Sicherung ausreichte, wurde auf Veranlassung der Verwaltung der Hermannshöhle eine schwere Eisentür mit Schraubverschluß angebracht.

neuer Eingang der Bielshöhle.